Strategie für kleine Unternehmen im E-Commerce

Die richtige Strategie für kleine Unternehmen im E-Commerce. 

  • Gibt es die überhaupt noch?
  • Welche Potentiale ergeben sich für kleine Hersteller und Händler? 
  • Wie soll mit Amazon umgegangen werden?
 

In diesem Beitrag decken wir einige Erfolgsstrategien für KMU-Händler und Hersteller auf.

Inhaltsverzeichnis

Autor | René van Loock

Digital-Marketing-Experte mit dem Fokus auf Analytics, GDPR (DSGVO) Compliance und Marketing Automation.

Welche Strategien funktionieren im E-Commerce?

Sollte ich ein Business ähnlich wie Amazon aufbauen und das neue Amazon für Weine, Büroartikel, [Produkt-Einsetzen] werden?

Nein, direkt mit Amazon zu konkurrieren, hat noch kein anderes Unternehmen geschafft und stellt daher auch für kleine Unternehmen mit begrenzten finanziellen Mitteln keine Option dar. 

Die Kooperation mit Amazon für Händler oder Hersteller birgt langfristig aber auch große Risiken, die keine Basis für ein erfolgreiches Unternehmen sein können.

So müssen Erfolgsfaktoren gefunden werden, die es einem Unternehmen ermöglichen, neben Amazon ein profitables Geschäftsmodell im E-Commerce aufzubauen. 

Dazu wird zunächst geklärt, wo Amazon für weitere E-Commerce-Geschäftsmodelle Platz lässt, welche Strategien wichtig sind, um diese Bereiche zu nutzen und welche Eigenschaften sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zunutze machen können, um langfristig erfolgreich zu sein.

Die Handelspositionierung von Amazon

Die klassischen Erfolgsfaktoren Preis, Verfügbarkeit und Angebot werden von Amazon bestmöglich erfüllt.

Der exzellente Service der im ganzen Unternehmen verfolgten kundenzentrierten Strategie kommt durch die Hilfestellung der Mitarbeiter zum Ausdruck. Ziel von Amazon ist es auch, sich in dieser Matrix weiter auszudehnen. 2017 geschieht dies durch die Übernahme von Whole Foods in den USA. Dadurch gelangt Amazon in den Besitz stationärer Geschäfte. Für Amazon in Deutschland ist das noch nicht relevant.

Amazon ist Alles für Alle! Erfolgsfaktor und Schwachstelle

Neben den vielen Stärken und der großen Dominanz von Amazon im E-Commerce stellt sich die Frage, ob der Konzern überhaupt Schwachstellen hat.

Amazon möchte alles für alle sein.

Neben Akteuren auf der eigenen Plattform sieht Amazon Wettbewerber auch auf den Seiten anderer Plattformen wie Facebook. Der Alles für alle Ansatz bringt dem Konzern mehr Vor- als Nachteile, da sonst das Umsatzwachstum nicht zu erklären ist.

Amazon kann mit diesem Ansatz nicht alle Kundensegmente gleich stark ansprechen. Das bietet Potenzial für Wettbewerber. Dabei geht es, abgesehen von kleinen Nischen, nicht um eine größere Sortimentstiefe, sondern um das Erlebnis und/oder ergänzende Dienstleistungen, die Amazon nicht anbietet.

Startups, die mit viel Eigenkapital ausgestattet sind, versuchen, durch neue Innovationen eine besonders starke Handelspositionierung zu bieten. 

Zum Beispiel stellt Limango ein Sortiment kurzzeitig (Sortimentsaktualisierung) zu sehr niedrigen Preisen zur Verfügung. Das ist eine Art Flash Sale im Internet. 

Die extreme Fokussierung eines oder mehrerer Punkte in dieser Matrix lässt sich im breiten Massenmarkt nur durch hohes Eigenkapital finanzieren und stellt somit für die meisten KMU keine Erfolgsstrategie dar. 

Platz für Differenzierungsstrategien lässt Amazon in den Punkten ergänzende Dienstleistungen, Einkaufserlebnis und bei den Standorten und Kanälen.

Trotz der enormen Breite und Tiefe an Angeboten auf Amazon bietet es sich für Händler an, in einer Nische eine höhere Sortimentstiefe als Amazon zu erreichen. Da KMU generell in einer Nische tätig sind und über ein geringes Produktportfolio verfügen, wissen sie sehr genau über die Produkte Bescheid und können viele zusätzliche Informationen bieten, die Amazon nur teilweise bereitstellen kann. 

Auch ergänzende Dienstleistungen lassen sich abhängig vom Produkt realisieren. Das besondere Online-Einkaufserlebnis, das sich zum Beispiel durch virtuelle Anproben, Brillen oder Mode erreichen lässt, stellt für Hersteller die interessante Option zur Verfügung, ein Erlebnis mit der Marke zu verknüpfen und den Online-Store als eine Art Flagship-Store zu vermarkten. 

Aus dem bisherigen Ergebnis lassen sich drei mögliche Erfolgsstrategien für KMU ableiten, auf die in den nächsten Kapiteln näher eingegangen wird.

Die E-Commerce-Strategien für kleine und mittlere Händler

Für Händler gibt es zwei Erfolgsstrategien, um im E-Commerce neben Amazon als klassischer Händler zu bestehen. 

Eine Strategie ist die Konzentration auf eine Nische und die Erlangung des Category-Leader-Status in dieser Nische. 

Eine zweite Strategie ist, die E-Commerce-Aktivitäten darauf auszurichten, durch den Online-Shop Kunden in das stationäre Geschäft zu locken. Letzteres stellt keinen direkten E-Commerce-Erfolgsfaktor dar, da der Fokus nicht auf elektronische Transaktionen gelegt wird. Daher wird diese Erfolgsstrategie nur kurz behandelt.

Händler: Category-Leader in einer Nische

Category-Leader bedeutet, in einer Nische Marktführer zu sein.

Diese Strategie ist nicht neu und stellt eine von Porters drei Grundstrategien dar. Durch ein eng begrenztes strategisches Ziel und die Ausrichtung aller Instrumente auf dieses Ziel kann das Unternehmen wirkungsvoller und effizienter als seine Konkurrenz sein. Im E-Commerce sind einige Faktoren besonders wichtig, da eine geografische Abgrenzung nur international, jedoch nicht innerhalb eines Landes möglich ist.

Der Category-Leader muss eine sehr große Sortimentstiefe besitzen. Einige Produkte können trotzdem bei Amazon erhältlich sein. Viele Produkte sollten jedoch ausschließlich bei ihm zur Verfügung stehen. 

–>Das führt Kunden, die auf der Suche nach solchen Produkten sind, automatisch zum Category-Leader, sofern er im Internet auffindbar ist. 

Neben einer großen Sortimentstiefe muss das Unternehmen zusätzliche Leistungen anbieten, beispielsweise Storys zu den Produkten, Ratgeberseiten und fachliche Empfehlungen. Dadurch erscheint das Unternehmen persönlicher und bietet gegenüber den Plattformen einen echten Mehrwert.

Sofern der Category-Leader nicht der einzige Anbieter dieser Produkte ist, sollte er die Konkurrenz im Preis unterbieten können und sich gleichzeitig nach den E-Commerce-Standards von Amazon richten. Das heißt, das Unternehmen sollte versuchen, in Lieferzeit und Convenience mit Amazon mitzuhalten bzw. sehr nah an dessen Standards heranzurücken. Die positive Differenzierung gegenüber Amazon ist so nicht möglich, jedoch sorgen diese Aspekte auch dafür, dass die Kunden den von Amazon bekannten Standard nicht zu sehr vermissen. Die Lieferzeiten lassen sich aufgrund sehr zuverlässiger Logistikpartner in Deutschland auch für KMU auf zwei bis drei Tage beschränken. Aus Sicht der Kunden können diese Einbußen durch die große Sortimentstiefe kompensiert werden. Das Führen von Eigenmarken im eigenen Sortiment bietet eine Möglichkeit, sich langfristig zu differenzieren.

Beispiele für erfolgreiche Category Leader

Beispiele für gelungene Nischenseiten, die durch eine große Sortimentstiefe bei Konsumenten punkten können, sind fahrrad.de und zooplus. Das Portal fahrrad.de bietet neben Fahrrädern einiges an Zusatzequipment an und steht für sehr guten Service und einfache Retouren. 

Neben Fachkompetenz, einem Rahmengrößenrechner, Tipps und Tricks und telefonischer Expertenberatung sind auch klassische E-Commerce-Erfolgsfaktoren, Versand am nächsten Tag, günstige Preise, Kundenbewertungen und kostenloser Versand ab 75 Euro Bestellwert vorhanden. Diese Kompetenzen kann Amazon in diesem Segment nicht bieten. 

Das Unternehmen fahrrad.de bietet einen Mehrwert, der die Convenience-Nachteile gegenüber Amazon aufwiegt. Neben fahrrad.de ist durch die niedrigen Preise und hohen Services kaum Platz für andere Anbieter in diesem Segment. Mit einem Umsatz von über 140 Millionen Euro ist fahrrad.de aus dem KMU-Segment gewachsen. Dabei hat das E-Commerce-Unternehmen seinen Ursprung in einem stationären Fahrradgeschäft.

Dagegen bietet zooplus Tierbedarf und punktet durch Fachkompetenz wie zum Beispiel Tierarzt-Empfehlungen. Daneben legt auch zooplus Wert auf klassische E-Commerce Erfolgsfaktoren und versucht im Bereich Convenience durch die schnelle kostenlose Lieferung ab 19 Euro mit Amazon mitzuhalten.

Category-Leader in einer Nische schaffen es, durch Sortiments- und Fachkompetenz einen Mehrwert zu bieten. Als strategische Erfolgsfaktoren gelten, wenn auch im kleineren Maßstab, die Erfolgsfaktoren von Amazon. So lassen sich Skaleneffekte auch in einer Nische realisieren. Ein Customer-Centricity-Ansatz sorgt dafür, dass der Category-Leader mit der Convenience von Amazon annähernd mithalten kann. Digitale Innovationen selbst zu schaffen, ist mit begrenzten Mitteln zwar kaum möglich, dennoch sollte sich das Unternehmen durch digitale Expertise und die ständige Weiterentwicklung des Online-Shops auszeichnen. Dazu gehört auch das Data Driven Marketing, das durch zunehmende Softwarelösungen auch für kleine Unternehmen interessant sind.

500.000 einzelne Online Shops allein in Deutschland

Im E-Commerce gab es im Jahr 2015 bereits über 500.000 einzelne Online-Shops. In vielen Nischen lassen sich durch IT-Expertise vorhandene Konzepte innerhalb kürzester Zeit überholen. Das heißt, dass durch die schnellen Innovationszyklen Online-Shops ständiger Weiterentwicklung unterliegen und ein Unternehmen mit dem neuesten Stand der Technik Konkurrenten überholen kann – 

nach Steve Jobs: „When behind – Leapfrog“.

Der neueste Stand der Technik und eine eigene IT-Abteilung sorgen zunächst für hohe Fix-kosten, die das Unternehmen investieren muss. 

Besonders die hohen Kosten der Kundengewinnung im E-Commerce drücken auf die Profitabilität des Unternehmens und stellen daher einen zentralen Erfolgsfaktor für KMU dar. Ob der Category-Leader dabei ein Pure-Online-, ein Multichannel- oder ein hybrides Geschäftsmodell verfolgt, spielt eine untergeordnete Rolle, solange er sich an den strategischen Erfolgsfaktoren orientiert.

Erfolgsstrategie für KMU (-Händler) ohne Nischenprodukte und ohne IT-Kompetenz

KMU-Unternehmen, die weder in einem Nischensegment tätig sind noch über IT-Kompetenz verfügen, sollten sich grundsätzlich aus dem E-Commerce-Markt heraushalten und sich darauf beschränken, Kunden über das Internet in das lokale Geschäft zu locken. 

Die hohe Wettbewerbssituation lässt für solche Unternehmen keinen Platz im E-Commerce. Da es dennoch wichtig ist, im Internet gefunden zu werden, bietet es sich für solche Unternehmen an, Zusammenschlüsse mit anderen lokalen Händlern in der Stadt und auch einen einfachen Online-Shop oder Online-Katalog anzustreben. 

Auch lokal beschränkte Online-Marketing-Maßnahmen können ein Weg sein, Kunden zu gewinnen. KMU sind erfolgreich durch die Nähe zum Kunden und die Möglichkeit, das Produkt sofort im stationären Geschäft abholen zu können. In diesem Bereich gibt es weitere interessante Möglichkeiten und Innovationen wie digitale Signage-Konzepte und verschiedene lokale Marketingmöglichkeiten, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird. Es handelt sich dann nicht um E-Commerce Unternehmen.


Gefahr für diese Art von Geschäftsmodell kann durch schnellere Logistik-Prozesse, die Lieferung noch am selben Tag oder innerhalb der nächsten Stunde drohen. Wann diese Innovationen flächendeckend eingesetzt werden, ist nicht bekannt.

Die E-Commerce-Erfolgsstrategien für KMU-Hersteller

Herstellern stehen im E-Commerce alle Wege offen. 

Da große Händler zunehmend versuchen, über Eigenmarken erfolgreich zu sein, bietet es sich für Hersteller an, direkt in den Handel einzusteigen. 

Das wird auch schon fleißig gemacht, …

So hat sich der Umsatz von Hersteller-Shops seit 2007 überproportional zum gesamten E-Commerce entwickelt. Starke Marken profitieren besonders. Dazu gehören auch starke Marken aus dem Hobbybereich und aus Nischensegmenten. Diese genießen eine sehr gute Kunden-Reputation. Der Kauf direkt beim Hersteller gibt die Sicherheit, keine Plagiate zu kaufen, und im Garantiefall besteht die Möglichkeit, sich direkt an den Hersteller zu wenden. 

Besonders gut stehen Hersteller im Hobby-Bereich da. Hier informieren sich die Kunden gerne und ausgiebig über Produkte.

Der Einstieg in den E-Commerce kann nicht sofort verfolgt werden. 

So gilt es, zunächst die Strategie mit der Distributionsstruktur und den vorhandenen Händlern abzustimmen. Der Hersteller muss auch seine Zielgruppe näher kennenlernen und idealerweise sogar besser verstehen als die eigenen Produkte. Daneben müssen der Vertrieb, Marketing, Logistik und Kundenservice im B2C-Bereich ausgebaut werden und es müssen sich IT-Kompetenzen angeeignet werden.

Die schlanke Distributionsstruktur ermöglicht potenzielle Synergieeffekte, wie zum Beispiel Zeit- und Kostenvorteile, höhere Datentransparenz und Qualität und sorgt so für kürzere Reaktionszeiten bei der Nachfrageänderung. 

Dadurch ist der Hersteller dem klassischen Handel überlegen. Neben den Strategischen Erfolgsfaktoren ist es auch für den Hersteller besonders wichtig, Brand Building zu betreiben und über Online-Marketing Neukunden zu gewinnen. Die IT-Kompetenz sollte eines der wichtigsten Kernelemente des Unternehmens werden und bleiben, um den Kunden auch online von der Marke überzeugen zu können.

Der Vorteil für den Hersteller liegt vor allem darin, sich über seine Produkte zu definieren. Er braucht nicht von Anfang an den direkten Einstieg in das E-Commerce Geschäft zu wagen. 

Er könnte zum Beispiel seine Vertriebsstruktur über Händler zunächst beibehalten und mit einer eigenen Website ohne Onlineshop versuchen, Traffic auf dieser Website zu generieren. Auch kann er schon auf Social Media aktiv werden und sich dort eine Fan-Gemeinde aufbauen. So kann er Stück für Stück an das E-Commerce-Geschäft heran-rücken, um beim Start des Onlineshops direkt über eine große Reichweite und einen Kundenstamm zu verfügen. 

Dem Online-Händler, der sich ausschließlich über sein Sortiment und seinen Online-Shop differenziert, steht diese Option nicht zur Verfügung. 

Fazit

Der Online Handel (E-Commerce) ist ein Geschäftsfeld, welches extrem umkämpft ist. Für reine Händler ist es kaum noch profitabel bzw. wird langfristig nicht profitabel sein auf großen Plattformen wie Amazon zu verkaufen. Von einem eigenen Online Shop ganz zu schweigen.

Für Hersteller bieten sich dagegen viele neue Potentiale im E-Commerce.